Der jugendliche Körper wird verkrümmt
Wie vor 75 Jahren alles begann
Die allerersten Anfänge des SV Germania liegen im Dunkeln. Es waren vor allem die Erinnerungen älterer Bürgerinnen und Bürger, die vor 25 Jahren halfen, die damalige Vereinschronik zum 50 jährigen zu erarbeiten. Schriftliches Material aus der Gründerzeit gibt es nicht mehr. So weiß man heute zwar die Namen jener Sportsfreunde, die sich 1927 zusammen taten, um den verein aus der Taufe zu heben, nichts aber von der Vorgeschichte, die dazu führte, dass die Germania überhaupt entstand.
Es war im Juni 1927, als folgende Interessenten sich zur Gründungversammlung, vermutlich in der Gaststätte Kerkströer, da sind die Aussagen widersprüchlich, trafen: Paul Heinemann, Friedrich Peitzmeier, Stefan Brüggenthies, Georg Kerkströer, Wilhelm Klaas, Heinrich Jungeilges, Hermann Tönsmeier, Heinrich Isenbort, Heinrich Kaimann, Johann Johannleweling, Eberhard Johannleweling, Hermann Austerjost, Johannes Austerjost, Heinrich Austerjost, Fritz Bäumker, Heinrich Wilsmann, Gerhard Wilsmann, Anton Grönebaum, Josef Jungeilges und Franz Henkenjohann.
Sie formierten sich zu einem Sportverein, der für sich zunächst den Namen Deutsche Jugend-Kraft (DJK) Grün-Weiß Westerwiehe annahm.
Ein Blick in das Rietberger Stadtarchiv im April 2002 fördert bei der Recherche für die Chronik zum 75jährigen Bestehen neues Material aus alter Westerwieher Zeit zutage. In einem Schulprotokoll aus dem Jahr 1927 finden sich Heinweise darauf, dass schon damals Diskussionen über die Anlegung eines eigenen Sportplatzes geführt worden sind.
Der Originaltext:
(Auszug aus dem Protokoll des Dorfschullehrers Wilhelm Ferber),
Am 17.Juli nahm die Schule zum ersten Mal an dem Kreisturnfest teil. Von 33 Schülern über 10 Jahre nahmen 25 teil. 10 Knaben erreichten 22 Punkte und darüber. Davon erhielten 5 einen Kranz: Engelmeier 47 Punkte; Edenfeld, Josef 38; Heinz Ferber 36; Josef Peitzmeier 34; A. Deppe 33 Punkte.
Am 22.9. war in Westerwiehe das Turnfest des Amtes Rietberg.
Sportplatz war der im vorigen Winter erweiterte Schulplatz. Gegen den Willen des Vorstehers legte ich mit Hilfe der Knaben den Lehrerinnengarten in mein Dienstland hinein. Der Lehrerinnengarten und ein dahinter und danebenliegendes Stück Dienstland kam zum Turnplatz, der somit von der Straße bis zur Verlängerung der hinteren Stallfront reicht.
In der Theilheide hatte ich 31a Dienstland, das der Pächter kaufen will. Ich beantrage, für das Kauffeld ein Stück südlich des Schulgrundstückes zu kaufen. Der Besitzer verkauft drei Morgen an Herrn Hesse, Nr.20, der dieses Grundstück aufkaufte. Der Pfarrer bekam es zur Vergrößerung seines Landes (Weide), vom Pfarrgut kann das „Himmelreich“ an Kleinepähler (Külkers Hof). Von Kleinepähler bekam Hesse das Grundstück, das zwischen der Steinhorster Straße und Hesses Hof liegt. Hesse legte jetzt eine feste Straße nach seinem Hof an. (Wurstfabrik) Herr Krawinkel wollte auch uns sein Land von seinem abgeholzten Busch verkaufen. Während der Verhandlungen hat der Herr Pfarrer zum Herrn Krawinkel gesagt: „Das gibt’s nicht.“ (Der Herr Pfarrer will keinen Sport hier.) Schließlich hat Herr Krawinkel auch dem Gemeinderat gegenüber gesagt, er wollte nicht zu einem Sportplatz verkaufen. Fräulein Lehrerin Neumann erklären mir: „Wenn der Garten umgelegt werden soll, dann jetzt. Im nächsten Winter leide ich es nicht mehr.“
Ich war persönlich zweimal beim Vorsteher. Er versprach auch, zu kommen und zu überlegen. Er kam nicht. Da legte ich den Garten um: Zaun umgelegt – Bäume verpflanzt – Zaun neu gesetzt. Der Turnplatz ist so dreimal größer geworden.
Leider ist eine gute Gelegenheit verpasst, um einen großen Sportplatz zu schaffen. Die Bevölkerung ist der Meinung, die Landjugend brauche keinen Sport zu treiben.
Aber gerade die Jugend hierzulande muss schon früh stark abreiten und der jugendliche Körper wird dadurch einseitig entwickelt und verkrümmt. Wir dürfen bis auf Widerruf das abgeholzte Gelände südlich benutzen. Wir legten dort trockene Dämme für Weitersprung an.
Hoffentlich ist in einigen Jahren, ehe das Grundstück anderweitig verkauft wird, die Einsicht besser geworden.“
Nun, zumindest was den Sport oder wie man früher sagte, die Leibesertüchtigung, angeht, so sind die Einsichten schnell gekommen, ob sie sich allerdings auch auf das vom Lehrer favorisierte Gelände erstreckten? Es lässt sich nicht mehr exakt nachvollziehen.
Fest steht aber – die Mehrzahl der Gründer waren Aktive. Alle gemeinsam hatten den Wunsch, dass auch in Westerwiehe aktiv Sport betrieben werden kann und gleichermaßen wollten sie der Jugend die Möglichkeit geben, sich sportlich zu betätigen.
Den ersten Vorstand, der noch in der Gründungsversammlung gewählt wurde, bildeten Johann Johannleweling als Vorsitzender, Eberhard Joahnnleweling als Schriftführer, Josef Jungeilges als Kassierer und Stefan Brüggenthies als Fußballobmann. Zum Vereinslokal wurde die Gaststätte Kerkströer bestimmt, eine Zusammenarbeit, die über Jahrzehnte hinweg Bestand haben sollte.
Wann das erste Spiel in der Vereinsgeschichte stattfand, ist nicht dokumentiert, man weiß aber, dass sich die neue DJK mit 2:2 gegen ein Team aus Delbrück gut hielt. Das erste Meisterschaftsspiel brachte den Westerwiehern einen 3:1 Sieg gegen eine Mastholter Mannschaft.
Stetig entwickelte sich die DJK weiter und hatte schnell eine erfolgreiche und kampfstarke Mannschaft beieinander. Leider sind auch aus den 30er Jahren keine Dokumente mehr vorhanden. Das Kriegsgeschehen unterbrach wie überall auch das fröhliche, sportliche Leben im Hühnerdorf. Aber, anders als in anderen Vereinen, kam die DJK schon bald nach Kriegsende wieder auf die Füße. 1946 wurde seitens der Alliierten normaler Sportbetrieb wieder genehmigt und sofort stellten sich einige Gründungsmitglieder zur Verfügung, um den Verein aufleben zu lassen. Diese waren Stefan Brüggenthies, Heinrich Kaimann, Georg Kerkströer und Wilhelm Klaas. Hinter ihnen an der Spitze waren besonders Josef Wilsmann, Heinrich Heyringhoff, Bernhard Austerjost, Anton Wittreck und Willi Lukassen dafür verantwortlich, dass der Ball endlich wieder rollte. Dem Neuanfang gleich gesetzt war der neue Name, auf Vorschlag von Josef Wilsmann nannte man sich nun SV Germania Westerwiehe. Jenen Sportkameraden, die erst später aus der Gefangenschaft kamen, war der Verein Heimat und Therapie zugleich, die Schrecknisse der Kriegsjahre und ihre Folgen zu überwinden.
Als schließlich auch die Punktespiele wieder begannen und in den einzelnen Klassen Meister ermittelt wurden, da hatte Westerwiehe eine einsatzfreudige, harmonische Truppe zur Verfügung, die in den ersten 10 Jahren fast immer den Titel in der 1.Kreisklasse einfahren konnte. Die größte sportliche Leistung war der Aufstieg in die Bezirksklasse im Jahr 1956/57. Allen Unkenrufen zum Trotz konnte sich die Mannschaft dort überzeugend halten und spielte 10 Jahre lang munter mit. Der Aufstieg war das schönste Geschenk zum 30. Geburtstag des SV. Im gleichen Jahr konnte auch die neue Sportplatzanlage eingeweiht werden. Wie groß der Zusammenhalt im Team war, zeigte die Tatsache, dass nach dem Abstieg in die 1.Kreisklasse 1966/67 der Zusammenhalt und die Kameradschaft weiter Bestand hatten. 1967 wurde dennoch fröhlich das 40 jährige Bestehen begangen. Wie der unvergessene Fritz Paul es in der Chronik zum 50 jährigen 1977 formulierte, „mussten wir im Jahre 1973/74 noch einmal in den sauren Apfel beißen und den Weg in die 2.Kreisklasse antreten. Aber es dauerte nur ein Jahr und wir hatten es durch Trainingsfleiß und kameradschaftliches Verhalten wieder geschafft, in die 1.Kreisklasse aufzusteigen.
Und noch ein besonderes Ereignis galt es, 1967 zu würdigen. Die Germania gründete eine Alte-Herren-Mannschaft und sofort wurde folgender Brief an befreundete Vereine gesandt: „Liebe Sportsfreunde, heute können wir Ihnen eine freudige Mitteilung machen. Wir haben jetzt eine Alte-Herren-Mannschaft. Bitte machen Sie einen entsprechenden Vermerk in Ihren Terminkalender, damit unsere Alte-Herren-Mannschaft Gelegenheit findet, gegen Ihre Mannschaft in der kommenden Saison zu spielen.“ Das erste Spiel der neuen Alten fand am 16.März 1968 statt. Wie schon der erste Gegner der Germanen überhaupt kam das andere Team aus Delbrück. Und wieder trennte man sich friedlich-schiedlich Unentschieden, allerdings torlos mit 0:0.
Das 50 jährige Bestehen war ein weiterer Meilenstein in der erfolgreichen Geschichte der Germania. Eine ganze Woche lang wurde im Juni 1977 gefeiert. Zahlreiche Turniere einten die Freunde aus benachbarten Vereinen am fairen Wettstreit und natürlich kam die Geselligkeit nie zu kurz. Ob Sportler-Ball mit Tanz oder der große Gala-Abend mit vielen Gratulanten, stets ist die Schar groß, fröhlich und die Gäste zollen dem Geburtstagskind Respekt und Anerkennung für den guten Vereinsgeist und die sportlichen Leistungen. In den 25 Folgejahren hat der Verein einen weiteren enormen Aufschwung getan, neue Abteilungen kamen hinzu, die Mitgliederzahlen stiegen kontinuierlich an und auch der Bau des Vereinshauses und die Anlage des neuen großen Sportgeländes sind Erfolge, die sich die Germania mit Fug und Recht auf die Fahnen schreiben kann.